Perleffeckt für Wissen und Information
Diesem Artikel auf Telepolis kann ich nur beipflichten.
Einer der Gründe, warum meine Kids den Computer nur Stundenweise bekommen und sich Wissen mit Mühe und Schweiss erlesen und selber erarbeiten sollen
Info-Teflon
Von Peter Glaser
Im Internet-Zeitalter werden Informationen wie auch Marken zunehmend toleranter und geben scheinbar widersprüchlichen Bedürfnissen statt. Bereits der Urahn der toleranten (man könnte auch sagen: opportunistischen) Produkte, der legendäre Montagekleber "Fixogum", klebte Papier unverrückbar fest und ließ sich aber bei Bedarf auch wieder spurlos und ohne Gefrickel ablösen. Farbige Tätowierungen, die einige Tage lang selbst Seife und Schweiß widerstehen, lassen sich auf der Haut anbringen, "Auf ewig Dein" - bis übermorgen. Schreibprogramme gestatten es, nach Herzenslust herumzuschmieren und einen virtuellen Text dennoch stets im Zustand der scheinbaren Reinschrift vor sich zu haben. Die modernen Dinge geben immer stärker dem launischen Wandel des menschlichen Wollens nach. Virtuelle Produkte und Marken schließlich verheißen die Strapazierbarkeit von Realitäten bis zum absoluten Paradox – Widersprüchlichkeit und Gleichzeitigkeit bis zum Exzeß. Dinge, die verzeihen. Undo forever.
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Die Dinge sollen sich wie Katzen sachte an uns reiben, eine Witterung hinterlassen, ein kleines Behagen. Den Unterschied zwischen Information und Unterhaltung machte bisher die Folgenlosigkeit der Letzteren aus. Inzwischen wandelt sich aber von Information ausgelöster Tatendrang auch mehr und mehr in Datendrang. Zwar sind wir, im Gegensatz zu den in ihrer Nährlösung treibenden Gehirnen der TV-Ära, als Netzmenschen inzwischen interaktiv geworden. Aber ein Großteil dieser Aktivität bleibt in bester TV-Tradition konsumistisch, klicken und saugen. Oder die hypermedial herangeschaffte Realität fühlt sich an wie ein Frühlingslüftchen und purrt ein bißchen: Katzencontent total.
Das folgenlose Herumprobieren mit den Wissens-, Nachrichten- und Unterhaltungsströmen im Netz wird auf diese Weise ebenso zum Dauerzustand wie eine unverbindliche Haltung den Informationen gegenüber, die uns als globaler Nerventsunami anfluten und die sich gern mit uns zu sinnvollen Taten verbinden würden. Zum Teil erinnert das Ganze an die Avantgardeliteratur der sechziger Jahre, als das Experimentieren zum Selbstzweck verkam. Entweder misslingt ein Experiment, dann kann man ein neues versuchen, oder es gelingt und ist fortan kein Experiment mehr. Da das ergebnisoffene Herumprobieren aber zum zentralen Betriebsmodus ausgerufen wurde, stellte sich in den siebziger Jahren im Fall der Experimentalliteratur eine Dekadenz ein. Heute mehren sich die Zeichen einer Informations-Dekadenz. Information sollte die Welt retten, so die Visionen der neunziger Jahre. Das Wissen der Menschheit liege vor uns im Zugriff. Wo stehen wir knapp zwei Jahrzehnte später? Noch sind nicht ganz so viele Menschen wie im Mittelalter wieder davon überzeugt, dass sich die Sonne um die Erde dreht, aber es wird daran gearbeitet. “Lebenslanges Lernen” bedeutet vor allem, dass Wissen und Erfahrung zunehmend von Entwertung bedroht sind. Google läßt ganze Bibliotheken einscannen, um ein hübsches Werbeumfeld für seine Anzeigen zu haben.
Natürlich ist nichts gegen einfachen Zugang zu Information einzuwenden. Aber allzu leichter Gewinn verdirbt die Freude am Spiel. William James sagte einmal, wenn das einzige Ziel des Fußballspiels darin bestünde, den Ball ins Tor zu bringen, dann wäre die einfachste Art zu gewinnen, den Ball in einer dunklen Nacht heimlich dorthin zu tragen. Einer mühelosen, automatisch geregelten, reibungslos sicheren, ausschließlich auf dem Lustprinzip fußenden Existenz würde der belebende Hauch der Wirklichkeit fehlen, den sogar ein Spiel bietet. “Im übrigen”, schreibt der Kulturphilosoph Lewis Mumford, “kann nichts die menschliche Entwicklung so wirkungsvoll hemmen wie mühelose, sofortige Befriedigung jedes Bedürfnisses, jedes Wunsches, jedes blinden Impulses durch mechanische, elektronische oder chemische Mittel. In der ganzen organischen Welt beruht Entwicklung auf Anstrengung, Interesse und aktiver Teilnahme - nicht zuletzt auf der stimulierenden Wirkung von Widerständen, Konflikten, Hemmungen und Verzögerungen.” Selbst bei den Ratten kommt vor der Paarung die Werbung.
Einer der Gründe, warum meine Kids den Computer nur Stundenweise bekommen und sich Wissen mit Mühe und Schweiss erlesen und selber erarbeiten sollen
Info-Teflon
Von Peter Glaser
Im Internet-Zeitalter werden Informationen wie auch Marken zunehmend toleranter und geben scheinbar widersprüchlichen Bedürfnissen statt. Bereits der Urahn der toleranten (man könnte auch sagen: opportunistischen) Produkte, der legendäre Montagekleber "Fixogum", klebte Papier unverrückbar fest und ließ sich aber bei Bedarf auch wieder spurlos und ohne Gefrickel ablösen. Farbige Tätowierungen, die einige Tage lang selbst Seife und Schweiß widerstehen, lassen sich auf der Haut anbringen, "Auf ewig Dein" - bis übermorgen. Schreibprogramme gestatten es, nach Herzenslust herumzuschmieren und einen virtuellen Text dennoch stets im Zustand der scheinbaren Reinschrift vor sich zu haben. Die modernen Dinge geben immer stärker dem launischen Wandel des menschlichen Wollens nach. Virtuelle Produkte und Marken schließlich verheißen die Strapazierbarkeit von Realitäten bis zum absoluten Paradox – Widersprüchlichkeit und Gleichzeitigkeit bis zum Exzeß. Dinge, die verzeihen. Undo forever.
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Die Dinge sollen sich wie Katzen sachte an uns reiben, eine Witterung hinterlassen, ein kleines Behagen. Den Unterschied zwischen Information und Unterhaltung machte bisher die Folgenlosigkeit der Letzteren aus. Inzwischen wandelt sich aber von Information ausgelöster Tatendrang auch mehr und mehr in Datendrang. Zwar sind wir, im Gegensatz zu den in ihrer Nährlösung treibenden Gehirnen der TV-Ära, als Netzmenschen inzwischen interaktiv geworden. Aber ein Großteil dieser Aktivität bleibt in bester TV-Tradition konsumistisch, klicken und saugen. Oder die hypermedial herangeschaffte Realität fühlt sich an wie ein Frühlingslüftchen und purrt ein bißchen: Katzencontent total.
Das folgenlose Herumprobieren mit den Wissens-, Nachrichten- und Unterhaltungsströmen im Netz wird auf diese Weise ebenso zum Dauerzustand wie eine unverbindliche Haltung den Informationen gegenüber, die uns als globaler Nerventsunami anfluten und die sich gern mit uns zu sinnvollen Taten verbinden würden. Zum Teil erinnert das Ganze an die Avantgardeliteratur der sechziger Jahre, als das Experimentieren zum Selbstzweck verkam. Entweder misslingt ein Experiment, dann kann man ein neues versuchen, oder es gelingt und ist fortan kein Experiment mehr. Da das ergebnisoffene Herumprobieren aber zum zentralen Betriebsmodus ausgerufen wurde, stellte sich in den siebziger Jahren im Fall der Experimentalliteratur eine Dekadenz ein. Heute mehren sich die Zeichen einer Informations-Dekadenz. Information sollte die Welt retten, so die Visionen der neunziger Jahre. Das Wissen der Menschheit liege vor uns im Zugriff. Wo stehen wir knapp zwei Jahrzehnte später? Noch sind nicht ganz so viele Menschen wie im Mittelalter wieder davon überzeugt, dass sich die Sonne um die Erde dreht, aber es wird daran gearbeitet. “Lebenslanges Lernen” bedeutet vor allem, dass Wissen und Erfahrung zunehmend von Entwertung bedroht sind. Google läßt ganze Bibliotheken einscannen, um ein hübsches Werbeumfeld für seine Anzeigen zu haben.
Natürlich ist nichts gegen einfachen Zugang zu Information einzuwenden. Aber allzu leichter Gewinn verdirbt die Freude am Spiel. William James sagte einmal, wenn das einzige Ziel des Fußballspiels darin bestünde, den Ball ins Tor zu bringen, dann wäre die einfachste Art zu gewinnen, den Ball in einer dunklen Nacht heimlich dorthin zu tragen. Einer mühelosen, automatisch geregelten, reibungslos sicheren, ausschließlich auf dem Lustprinzip fußenden Existenz würde der belebende Hauch der Wirklichkeit fehlen, den sogar ein Spiel bietet. “Im übrigen”, schreibt der Kulturphilosoph Lewis Mumford, “kann nichts die menschliche Entwicklung so wirkungsvoll hemmen wie mühelose, sofortige Befriedigung jedes Bedürfnisses, jedes Wunsches, jedes blinden Impulses durch mechanische, elektronische oder chemische Mittel. In der ganzen organischen Welt beruht Entwicklung auf Anstrengung, Interesse und aktiver Teilnahme - nicht zuletzt auf der stimulierenden Wirkung von Widerständen, Konflikten, Hemmungen und Verzögerungen.” Selbst bei den Ratten kommt vor der Paarung die Werbung.
Interessantes... Vampyre42 - 9. Mai, 13:29 - Modified: 2008-05-09 13:31